Richard (li.) und Martin Schmidt
Günter (li.) und Florian Kaufmann
Hubert (li.) und Christian Lay
[Interviewfassung lang]
Nach mehr als 30 Jahren Bioweinbau im Südwesten – Erfreulich viele junge Biowinzer sind bereit, die Betriebe der Eltern zu übernehmen
Generationenwechsel im Betrieb ist immer ein schwieriges Thema: Sind die Kinder überhaupt bereit, beruflich in die Fußstapfen ihrer Eltern zu treten? Oder orientieren sie sich an ganz anderen Berufen? Und speziell im Bioweinbau: Will die folgende Generation an „Bio” festhalten? Aktuell steht in etlichen ECOVIN-Betrieben ein Generationswechsel an. Wir haben Eltern und Kinder gefragt, was sie bewegt und motiviert.
Drei Winzerfamilien haben sich bereit erklärt, einen Einblick in die Betriebs- und Familiengeschichte zu gewähren. Drei Familien, in denen die Väter vor rund 30 Jahren – mit teilweise erheblichen Anstrengungen und vielen Risiken – zum Bioweinbau gewechselt sind. Und in denen die Söhne auch heute eine Zukunft für sich sehen.
Richard Schmidt aus Eichstetten am Kaiserstuhl ist einer der Bio-Pioniere. Schon sein Urgroßvater hat Wein zuhause ausgebaut. In den 50er Jahren arbeitete die Familie für die Winzergenossenschaft. 1972 übernahm Richard Schmidt den Betrieb, 1987 trat er aus der Genossenschaft aus und arbeitete als selbständiges Weingut.
Richard Schmidt: „Wir hatten drei Hektar Reben und haben im ersten Jahr noch die Trauben an die WG abgeliefert. Dann sind wir ausgestiegen und mussten von heute auf morgen ohne Kundenstamm unseren Wein vermarkten. Für mich standen nur zwei Dinge fest: Es müssen trockene Weine sein und wir arbeiten biologisch. Denn meine Frau hat damals nach der Arbeit im Weinberg immer einen Hautausschlag bekommen. Und wir wussten ja nicht, was in den Spritzmitteln alles drin ist.”
Das Basiswissen für den Ökoweinbau erhielt Richard Schmidt damals aus Büchern, aber auch von den ersten Wegbereitern wie Paulin Köpfer, dem heutigen Vorsitzenden von ECOVIN Baden, und von Matthias Wolff, der heute den Beratungsdienst Ökologischer Weinbau leitet. Hinzu kamen Fortbildungskurse in St. Ulrich, die es auch heute noch gibt. 1992 konnte dann der erste Wein verkauft werden, der auch offiziell als Biowein deklariert wurde.
Richard Schmidt: „Trotzdem die Gemeinde Eichstetten schon damals ein Vorreiter war für den Bioanbau, zum Beispiel beim Gemüse, waren die ersten Jahre hart. Auch im Dorf war es nicht einfach, der Biowinzer zu sein. Nach ein paar Jahren, als klar war, dass unsere Weine auch qualitativ gut sind, war es leichter, da waren wir anerkannt.”
Größtes Defizit damals: der nicht existierende Kundenstamm. Vermarktungsfragen erforderten viel Kraft und Zeit. Zugute kam höchstens, dass damals schon viele finanzstarke Kunden am Kaiserstuhl nach guten Weinen suchten. Größter Pluspunkt in diesen schweren Anfangsjahren: trotzdem man viel dazulernen musste, gab es keine Totalausfälle.
2013 übergab Richard Schmidt den inzwischen auf sieben Hektar angewachsenen Betrieb an seinen Martin.
Günter Kaufmann aus Efringen-Kirchen übernahm 1988 einen Teil des landwirtschaftlichen Betriebs, den seine Eltern 1960 ausgesiedelt hatten. Sein Bruder erhielt den Hof mit Äckern und Vieh, er selbst blieb mit zwei Hektar Weinbaufläche auf der alten Hofstelle im Ort. Erst nach ein bis zwei Jahren betrieb er das Weingut im Vollerwerb, 1990 stellte er eine Teilfläche auf den Bioanbau um, 1992 den ganzen Betrieb.
Günter Kaufmann: „Ich saß ja während der Arbeit auf dem Traktor immer im Spritznebel der Chemikalien, das machte mir schon Sorgen. Den ersten Kontakt zu Bio-Erzeugern hatten wir mit Philipp Isele am Kaiserstuhl, danach mit dem Beratungsdienst Ökologischer Weinbau. Hauptthema für uns war der Pflanzenschutz ohne Chemie, wir waren ständig auf der Suche nach Tipps.”
1998 wurde der Keller ausgebaut und Ferienwohnungen gebaut. Heute hat der Betrieb 7,5 Hektar. Der Sohn Florian bereitet sich derzeit mit seiner Ausbildung zum Weinbautechniker darauf vor, den Betrieb später zu übernehmen.
Hubert Lay in Ihringen am Kaiserstuhl hat 1987 den Betrieb mit 1,75 Hektar von seinen Eltern übernommen – in einer Zeit, als der nach seiner Erinnerung schon jeder zweite Kunde nach biologischem oder integriertem Anbau gefragt hat. Damals gab es im konventionellen Anbau massive Probleme mit Schädlingen, auf die mit Insektiziden reagiert wurde. In Freiburg erhielt er ein Info-Blatt zum Bioweinbau, später traf er den Bioweinbau-Pionier Wendelin Brugger.
Hubert Lay: „Unsere Kinder waren damals vier und zwei Jahre alt, ich wollte weg von den Spritzmitteln. Es war zuerst nur ein Versuch, und ich musste meiner Frau erst mal vermitteln, dass wir das jetzt anders machen. 1990 war das Jahr, in dem wir umgestellt haben. Es war – aus Sicht der Winzer – ein „einfaches” Jahr: es hat auf Anhieb alles geklappt. Erst später haben wir erfahren, was alles schief gehen kann. Es gab auch richtig heftige Jahre, aber wir sind immer schlimmstenfalls mit einem blauen Auge davon gekommen.”
Jetzt arbeitet die Familie seit 25 Jahren biologisch. Der Betrieb wurden durch die Hinzunahme von Flächen laufend vergrößert und umfasst heute fünf Hektar. Der Holzfasskeller wurde ausgebaut, Angebot und Kundenstamm wurden mehrfach umstrukturiert. Seit fünf Jahren werden die Weine als Naturwein ausgebaut, vegan, ohne Anreicherung und Schönungsmittel. Sohn Christian arbeitet bereits im Betrieb mit.
Martin Schmidt, wie sind sie zum Winzerberuf gekommen?
Martin Schmidt: Ich habe schon immer gerne im Betrieb mitgeholfen. Nach Realschule und Abi war klar, dass es eine Winzer.Ausbildung wird. Und bio musste es auch sein. Seit der Ausbildung arbeitete ich auch im Keller mit. Mein Vater hat mich alles ausprobieren lassen, ich durfte auch neue Sorten einführen und Piwis, Weine aus pilzwiderstandsfähigen Rebsorten, anbauen.
War von Anfang an klar, dass Sie auch den elterlichen Betrieb übernehmen?
Martin Schmidt: Ja. Ich habe während der Ausbildung in verschiedenen Betrieben in Deutschland, Österreich und der Schweiz gearbeitet. Danach war ich fünf Jahre lang im Weingut Kiefer in Eichstetten, bevor ich es als Inhaber übernommen habe. Seit eineinhalb Jahren habe ich auch den elterlichen Betrieb übernommen, mein Vater unterstützt mich in beiden Betrieben und betreut die Arbeit in den Reben auf insgesamt 25 Hektar.
Ist es ein Problem, einen konventionellen und einen Bio-Betrieb parallel zu führen?
Martin Schmidt: Nein, die Wachstumschancen sind bei beiden sehr gut. Mit Biophilosophie einen konventionellen Betrieb zu führen geht, andersrum ist es zum scheitern verurteilt. De Wachstumschancen sind bei beiden Betrieben sehr gut. Bio soll aber nur über Schmidt laufen.
Florian Kaufmann, wie bereiten Sie sich auf die Arbeit im elterlichen Betrieb vor?
Florian Kaufmann: Ich habe von Anfang an auch im Weingut mitgeholfen, jetzt mache ich die Ausbildung zum Weinbautechniker. 2009 habe ich mit der Ausbildung zum Winzer begonnen und war bei konventionellen als auch biologisch arbeitenden Betrieben.
Wird die biologische Arbeitsweise heute auch in der Ausbildung vermittelt?
Florian Kaufmann: Ja, das kommt ein Stück weit auch in der Ausbildung vor, dort ist man heute sehr offen für diese Themen. Die Ausrichtung auf Bioweinbau war für mich von Anfang an klar, 2015 werde ich mit der Ausbildung fertig sein.
Christian Lay, was gab bei Ihnen den Anstoß für den Einstieg in den Bioweinbau?
Christian Lay: Ich habe die Umstellung auf Bio-Anbau zuhause erlebt, als ich fünf Jahre alt war. Nach der Realschule habe ich die Lehre begonnen, das war für mich alternativlos. 2007 habe ich dann die Ausbildung zum Weinbautechniker begonnen. In beiden Ausbildungen habe ich mich immer für bio stark gemacht. Das hat zwar polarisiert, aber dazu stehe ich einfach.
Und auch der Einstieg in den elterlichen Betrieb stand nie in Frage?
Christian Lay: Nein. Ich bin 2013 hier eingestiegen und konnte von Anfang an auch meine eigenen Projekte machen. Im Betrieb wird es keine großen Änderungen geben, ich werde das Gelernte fortführen. Aber gleichzeitig habe ich viel Freiraum um auszuprobieren und noch weiter voranzukommen. Wir haben schon bisher unsere biologische Arbeit immer weiter verbessert und können heute auch schwefelfreie Weine erzeugen.
Wie sehen die jungen Winzer die Entwicklung des Bio-Weinbaus: Ist da nach rund 30 Jahren schon alles so weit entwickelt, dass der Anbau keine Probleme mehr macht und man sich nun auf andere Fragen konzentrieren kann?
Martin Schmidt: Ich glaube, es gibt heute im Bioweinbau keine festgelegten Denkmuster, kein striktes Schema, an das man sich halten kann. Wir müssen flexibel bleiben und unsere Einstellung immer überprüfen. Die wirtschaftliche Situation ist heute nicht mehr das große Problem. Wir arbeiten auf immer höhere Qualitäten hin.
Christian Lay: Schon das Auftreten der Kirschessigfliege in diesem Jahr hat gezeigt, dass wir immer wieder reagieren müssen und dass der Austausch untereinander sehr wichtig ist. Wir müssen heute nicht wie unsere Eltern ganz neue Methoden entwickeln, sondern es gibt viele kleine Stellschrauben, mit denen wir Einfluss für eine Optimierung gibt.
Martin Schmidt: Die größte Herausforderung sehe ich heute in der Bürokratie. Das Hauptmotiv unserer Eltern war, als freier Winzer zu arbeiten. Wir fühlen uns heute durch viele Vorschriften gegängelt.
Christian Lay: Wir können bei den biodynamischen Verfahren noch mitgestalten und versuchen, noch besser zu werden: Zum Beispiel auch, noch weniger Schwefel einzusetzen. Dagegen versuchen wir im Betrieb das Angebot eher zu straffe und wollen weniger Sorten anbieten.
Dann stehen also Vermarktungsfragen heute eher im Vordergrund als biologische Verfahren?
Hubert Lay: Die jungen Leute können haben die Bio-Verfahren schon verinnerlicht und können sich heute dafür viel besser mit Vermarktungsfragen auseinandersetzen. Bei uns war früher der Wein nach Weihnachten ausverkauft, mein Vater hat den Kunden den Wein quasi zugeteilt. Ich wollte das dann anders machen und wollte ein kontinuierliches und dauerhaftes Angebot. Aber bis in den 90er Jahren war der Wein dann auch schon wieder bis Mitte des Jahres ausverkauft und wir mussten den Rotwein kontingentieren.
Martin Schmidt: Wir planen heute viel langfristiger und dennoch können wir schneller auf den Markt reagieren, als das früher der Fall war. Und wir können mit unserer Bio-Qualität punkten, denn wir haben die besten und härtesten Kontrollen auf dem Markt, das ist auch ein großes Plus für den Verbraucher.
Welche Rolle hat dann noch der Verband und die Wissensvermittlung in Fortbildungen und durch den Beratungsdienst?
Florian Kaufmann: Der Austausch spielt heute noch immer eine große Rolle, nicht alles ist Routine. Auch wenn in der Ausbildung heute ebenfalls Grundlagen des Bio-Anbaus vermittelt werden. Wir müssen erreichen, dass der Begriff „Bio” für Qualität steht.
Martin Schmidt: Ich glaube, der Austausch ist heute sogar viel besser als früher. Er erfolgt nur eben anders. Die jüngeren halten auch über soziale Medien und das Internet leichter Kontakt. Es ist an uns, den Bioweinbau auch als Kulturgut zu vermitteln und auf die Folgen unserer Arbeit hinzuweisen.
Christian Lay: Bei den Begehungsrunden erfährt man anfangs sehr viel. Aber nach einiger Zeit ist doch das meiste bekannt. Das wird dann für die Neuen in der Runde wieder vermittelt. Aber das ist gut so: Man wächst langsam rein und profitiert von der Erfahrung der anderen. Mit diesem Wissen müssen wir uns im Betrieb ein Profil erarbeiten und verdeutlichen, dass Ökowein für Spitzenqualität steht.
Wo sehen sich die jungen Biowinzer in 10 Jahren? Und im Vergleich dazu: Wie haben sich ihre Eltern damals die Zukunft vorgestellt.
Martin Schmidt: Ich gehe davon aus, dass das ganz geordnet weiterläuft und sehe gute Entwicklungschancen. Potenzial gibt es genug und mein Ziel ist es, Zufriedenheit zu erreichen durch die Arbeit.
Richard Schmidt: Wir haben damals mit der Umstellung wirklich gute Entwicklungsmöglichkeiten gesehen. Und wir erhofften uns für die Zukunft damals auch eine bessere Anerkennung in der Gesellschaft für unsere Arbeit, und dass wir keine Außenseiterrolle mehr haben. Wir waren uns ja sicher: Der Bioweinbau ist der modernste Weinbau. Und waren immer Realisten, ohne missionarischen Eifer. Zurückblickend muss man sagen: Die Umstellung hat eine ganze Generation gedauert.
Florian Kaufmann: Ich sehe da auch eine sehr geradlinige Entwicklung vor mir. Und ich werde auch in Zukunft weiter daran arbeiten, immer mehr Erfahrungen zu sammeln.
Günter Kaufmann: Wir wollten damals eine Qualitätssteigerung und wir wollten den Weinbau voranbringen. Unser heutiger Vorsprung zeigt, dass uns das auch ganz gut gelungen ist. Mein Anliegen war es aber auch immer Winzer zu sein, draußen zu arbeiten, schöne Dinge zu bewahren und zu erleben. Und ein Stück Individualität zu bewahren.
Christian Lay: Das kann ich gerade von meinem Vorredner übernehmen. Ich habe ein eigenes, kleines Stück Reben, in dem alle Arbeiten von Hand mache. Das ist überschaubar, da wird Terroir begreifbar. Solche Projekte soll es immer neben der hauptsächlichen Arbeit geben bei mir. Im Betrieb möchte ich das Angebot weiter straffen und individualisieren, damit am Ende ein tolles Produkt rauskommt.
Hubert Lay: Seit der Umstellung war die Arbeit immer mit Steigerungen verbunden. Ziel war, mehr öko zu machen, viel auszuprobieren. Oder auf die biologische Arbeit bezogen ausgedrückt: immer mehr weniger machen.
Abschließend die Frage an den Vorsitzenden von ECOVIN Baden, Paulin Köpfer: Wie wird der Verband die junge Generation in die Zukunft begleiten?
Paulin Köpfer: ECOVIN möchte den Bioweinbau selbstverständlich noch weiter entwickeln – mit und für die junge Generation! In der Verbindung aus den langjährigen Erfahrungen der Elterngeneration und den Ideen und neuen kreativen Ansätzen der Jugend sehe ich wunderbare Chancen für die Zukunft. Als Verband wird ECOVIN so den Erfahrungsaustausch unter den Biowinzern, auch die Fort- und Weiterbildung unterstützen. Gleichzeitig gilt es die rechtlichen, politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für den Bioweinbau sicher zu stellen und wo möglich noch weiter zu verbessern. Nicht zuletzt haben wir durch gemeinsame Verbandsarbeit und Aktivitäten die Chance unsere Kunden und potentiellen Konsumenten noch intensiver über die Vorzüge des Bioanbaues zu informieren und die junge Generation in der Vermarktung ihrer Weine zu unterstützen.